RoboCop statt Polizist – Kann KI die Nachwuchslücke der Polizei schließen?

von Kristoffer Bunge – Hamburg, 02. Juni 2025

Angesichts zunehmender Personalengpässe bei der Polizei und rasant wachsender technologischer Möglichkeiten rückt die Frage nach alternativen Sicherheitsmodellen verstärkt in den Fokus. Die gestrige Diskussionsrunde unter dem Titel „RoboCop statt Polizist – kann KI die Nachwuchslücke der Polizei schließen?“ griff dieses vieldiskutierte Thema auf und bot ein spannendes Forum für Vertreter:innen aus Polizei, Verwaltung und Wissenschaft, um diese hochaktuelle Fragestellung näher zu beleuchten. Eingeladen hatte das Netzwerk Digitale Polizei (NetDigPol), das an der Hochschule der Akademie der Polizei Hamburg der Förderung von Lehre und Forschung im Bereich der Digitalisierung dient. Im Zentrum stand dabei die Überlegung, inwiefern und in welchen Bereichen Künstliche Intelligenz, Robotik und automatisierte Systeme die Erfüllung heutiger Polizeiaufgaben unterstützen oder sogar vollständig übernehmen könnten – und welche ethischen und rechtlichen, aber auch finanzielle und personelle Herausforderungen sich daraus ergeben.

Unter Moderation von Prof. Eike Richter, Leitung des NetDigPol, entwickelte sich durch die vielfältige Zusammensetzung der Gesprächsrunde eine ebenso lebhafte wie tiefgründige Diskussion. Unterschiedliche fachliche Hintergründe und Perspektiven bereicherten den Austausch und eröffneten neue Blickwinkel auf das Zusammenspiel von KI und Polizeiarbeit.

Peter Steinleitner, Client Partner bei Capgemini Deutschland, brachte mit seiner langjährigen Erfahrung in der Beratung von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) eine technologieversierte und praxisnahe Perspektive in die Diskussion ein. Besonders wertvoll waren seine Einblicke in aktuelle Digitalisierungsprojekte. Er zeigte auf, in welchen Bereichen und Projekten technologische Innovation bereits heute zur Effizienzsteigerung beiträgt, und betonte zugleich die Bedeutung eines verantwortungsvollen Umgangs mit KI-Systemen im sicherheitsrelevanten Bereich.

Jan Reinecke, Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) Hamburg, ergänzte die Diskussion um die Sichtweise aus der polizeilichen Praxis und vor allem mit Blick auf das polizeiliche Personal. Er stellte klar, dass Technologie allein den Fachkräftemangel nicht kompensieren könne. Er hob das enorme Potenzial der KI für die Gefahrenabwehr und die Strafverfolgung hervor, plädierte aber zugleich auch für eine realistische Erwartungshaltung gegenüber KI-Systemen und betonte die Bedeutung menschlicher Urteilskraft, insbesondere in sensiblen Einsatzsituationen. Seine Beiträge stärkten das Verständnis für die operativen Herausforderungen im Alltag der Strafverfolgung.

Dr. André Malick, stellvertretender Leiter der Akademie der Polizei Hamburg, richtete den Fokus auch auf Qualifikation und Ausbildung zukünftiger Polizeikräfte. Er erläuterte, wie digitale Kompetenzen zunehmend in die Curricula und Ausbildungspläne integriert werden müssten und welchen Stellenwert technologische Entwicklungen in der Fortbildung einnehmen. Zugleich erinnerte er daran, ethische und soziale Fragestellungen zugunsten der Technik nicht zu vernachlässigen, und warb für eine Ausgewogenheit von digitalem Know-How und klassischen Polizeikompetenzen.

In den rund zwei Stunden intensiver Diskussion wurden zahlreiche interessante Perspektiven und Denkanstöße zusammengetragen. Neben konkreten Anwendungsmöglichkeiten von KI im Polizeikontext wurden auch Risiken und Problemfelder deutlich benannt – etwa in Bezug auf Datenschutz, ethische Standards und die Grenzen automatisierter Entscheidungsfindung. Die Diskussion zeigte eindrucksvoll, dass technologische Innovationen allein keine einfachen Lösungen bieten, sondern in ein breiteres gesellschaftliches und organisatorisches Umfeld eingebettet werden müssen. Besonders bereichernd war die aktive Beteiligung des Plenums:

Die Teilnehmenden aus Polizei, Hochschulen, Behörden und Unternehmen brachten sich mit fundierten, auch kritischen Nachfragen und Beiträgen engagiert ein und trugen so maßgeblich zur Vielschichtigkeit des Austauschs bei. Solche Formate machen deutlich, wie wertvoll der direkte Dialog zwischen Praxis, Wissenschaft, Verwaltung und Öffentlichkeit ist. Sie schaffen eine Grundlage, um Herausforderungen differenziert zu beleuchten und in Zukunft gemeinsam tragfähige Lösungswege zu entwickeln. So ließ auch die Gesprächsveranstaltung ein differenziertes Bild zurück:

Künstliche Intelligenz wird die Polizeiarbeit künftig zweifellos prägen – aber sie wird den Menschen nicht ersetzen. Ihr größter Wert liegt darin, die Einsatzkräfte zu unterstützen, Arbeitsprozesse zu optimieren und Ressourcen gezielter einzusetzen. Doch diese Möglichkeiten erfordern zugleich klare Regeln, transparente Strukturen und ein sensibles Gespür für ethische Grenzen. Zugleich wurde deutlich, dass die Leistungsfähigkeit der Polizei maßgeblich von den Menschen abhängt, die sie täglich mit Leben füllen. So wurde auch durchgängig begrüßt, dass der Hamburger Senat diesen Zusammenhang erkannt hat und seine Einstellungsoffensive fortsetzen will, mit dem Ziel, bis 2030 neben dem Ausgleich altersbedingter Abgänge zusätzlich 500 neue Stellen zu schaffen.

Künstliche Intelligenz – so könnte ein Fazit der Veranstaltung lauten – ist ein wertvolles Werkzeug, aber kein Ersatz für gut ausgebildete und engagierte Polizeikräfte. Der technologische Fortschritt eröffnet enorme Möglichkeiten, doch der Mensch bleibt – gerade im Bereich der öffentlichen Sicherheit – unverzichtbar.

(v.l.n.r. Jan Reinecke, Dr. André Malick, Prof. Eike Richter, Peter Steinleitner)
(v.l.n.r. Jan Reinecke, Dr. André Malick, Prof. Eike Richter, Peter Steinleitner)